Wann ist ein Nutzungsänderungsantrag fällig? Das Umgestalten eines bestehenden Gebäudes für eine neue Nutzung kann eine rein praktische aber auch wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung sein. Es kann jedoch sein, dass hierfür ein sogenannter Nutzungsänderungsantrag nötig ist. Dies ist der Fall, wenn in die Statik des Gebäudes eingegriffen oder bauliche Änderungen vorgenommen werden sollen, welche die Statik betreffen.
Bevor Sie die Entscheidung fällen, ein Gebäude für einen anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zweck zu nutzen (die sogenannte Nutzungsänderung – der zweite Fall, wann ein solcher Antrag nötig wird), ist es wichtig, die damit möglichen verbundenen Kosten und das Verfahren zu verstehen. Dies vermeidet böse Überraschungen.
Anhand von Beispielen aus unserer Berufspraxis, wollen wir aufzeigen, was ein Nutzungsänderungsantrag für den Bauherren an Aufwand und Kosten bedeuten kann.
Inhaltsverzeichnis Beispiele Nutzungsänderungsantrag
1. Nutzungsänderung Kosten & Unterlagen
Beginnen wir mit dem ersten Schritt, dem Nutzungsänderungsantrag an sich. Dieser formelle Antrag ist ein Formular und muss bei Ihrer örtlichen Baubehörde eingereicht werden. Die Bezeichnung variiert je nach Bundesland oder auch städtischem und ländlichem Raum. Bauamt, Baubehörde, untere Baubehörde sind nur drei Beispiele. Wichtig: Nur ein Architekt mit Bauvorlagenberechtigung (eingetragen in der Architektenkammer) darf einen solchen Antrag einreichen, keine Privatpersonen oder Unternehmen. Der Antrag unterscheidet sich im Umfang der erforderlichen Unterlagen kaum von einem Bauantrag:
- Formular (variiert je nach lokal zuständiger Behörde teils stark) – häufig im Downloadbereich der örtlichen Baubehörde zu finden
- Grundrisse des Gebäudes
- Schnitte und Ansichten des Gebäudes sowie eine (neue) Flächenberechnung
- Lageplan (nicht älter als 3 Monate)
- geplante neue Nutzungsbeschreibung
Man sieht bereits in diesem ersten Schritt, dass die Kosten für einen Nutzungsänderungsantrag steigen können, abhängig von verschiedenen Faktoren:
- Beteiligung eines Architekten: Es kann sein, dass die Arbeit des Architekten bereits beim Erstellen der oben genannten erforderlichen Unterlagen beginnt, also dem Zeichnen der Pläne und sogar beim Aufmaß vor Ort. Insbesondere bei alten Gebäuden sind alte Pläne häufig nicht mehr vorhanden, da sie durch Krieg, Brände oder Wasserschäden bei den Behörden und (vorherigen) Besitzern zerstört wurden.
TIPP: Bevor Sie einen Architekten wegen der geplanten Nutzungsänderung anrufen, prüfen Sie, welche Pläne und Grundrisse zu Ihrem Gebäude vorhanden sind. Dies kann Zeit und Kosten sparen.
- Art der Nutzungsänderung: Die Art der geplanten Nutzungsänderung hat einen erheblichen Einfluss auf die Kosten. Eine Umwandlung eines Gewerbeobjekts in Wohnraum erfordert oft umfangreichere bauliche Anpassungen oder Nachweise und kann daher teurer sein (mehr dazu im Praxis-Beispiel unten).
- Art der Immobilie und Gebäudeklasse: Die Größe und der Zustand der Immobilie beeinflussen ebenfalls die Kosten. Größere Gebäude erfordern oft mehr Dokumentation und eine umfassendere Überprüfung, was zu höheren Gebühren führen kann. Ändert sich durch bauliche Maßnahmen für die geplante Nutzungsänderung beispielsweise die Gebäudeklasse (dadurch, dass das Gebäude danach höher ist), stellt sich die Frage, ob die Feuerwehr noch anleitern kann oder ob sogar eine Brandmeldeanlage notwendig wird (mehr dazu im Blogartikel über Brandschutzkonzepte). Dies hat erheblichen Einfluss auf Kosten und Dauer.
- Regionale Unterschiede: Die Kosten für den Nutzungsänderungsantrag können von Region zu Region stark variieren, da die örtlichen Bauvorschriften und Gesetze unterschiedlich sind. Zudem kann der Ermessensspielraum des zuständigen Mitarbeiters in der Behörde eine große Rollen spielen: Welche weiteren Unterlagen und Gutachten werden nachgefordert? Inwieweit wird auf die Beschränkungen von alten Gebäuden eingegangen?
Verfahren und Zeitrahmen
Der formelle Prozess der Nutzungsänderung beginnt mit dem Einreichen des Antrags bei der örtlichen Baubehörde. Von diesem Moment an kann es einige Zeit dauern, bis der Antrag bearbeitet wird. Die Behörde überprüft die eingereichten Pläne und stellt sicher, dass sie den örtlichen Bauvorschriften entsprechen. Hier kann es zu Nachforderungen kommen!
Über den Zeitrahmen für die Bearbeitung des Antrags oder gar das gesamte Verfahren bis zur Baugenehmigung, können wir keinerlei Aussage treffen, da dies stark von der Komplexität des Projekts und der Arbeitslast der Baubehörde abhängt. Es ist wichtig, Geduld zu haben und sich auf mögliche Verzögerungen einzustellen.
Wenn der Antrag genehmigt wird, müssen Sie mit den baulichen Anpassungen beginnen, um das Gebäude an die neue Nutzung anzupassen. Dies kann den größten Teil Ihrer Investition ausmachen. Die Kosten für Renovierungen und Umbauten sind stark von der Größe und dem Zustand des Gebäudes sowie von den Anforderungen Ihrer Nutzungsänderung abhängig.
2. Nutzungsänderung Gewerbe in Wohnraum
Einen Fall von Nutzungsänderung Gewerbe in Wohnraum aus dem Jahr 2023 möchten wir hier skizzieren um zu verdeutlichen, was ein solches Verfahren in der Praxis bedeuten kann:
„Es handelte sich um ein Gebäude aus den 20er Jahren, welches den Status eine Kulturdenkmals hat und in den oberen Geschossen bereits Wohnungen innehatte. Lediglich im Erdgeschoss war noch eine Gewerbeeinheit, die künftig ebenfalls als Wohnraum genutzt werden sollte. Hierfür war ein entsprechender Nutzungsänderungsantrag nötig“, berichtet Jörg Möser, Geschäftsführer der RJ Planungsbüro GmbH & Co. KG. Baulich seien hierfür kaum Änderungen vorgesehen gewesen, lediglich das Entfernen einer Wand, dem Einziehen einer anderen Wand um ein neues Bad entsprechend gliedern zu können. Demnach keine statische Veränderung und eine kaum nennenswerte strukturelle Veränderung innerhalb des Objekts bzw. der Einheit.
Nachdem die unter 1. aufgeführten Unterlagen vollständig und gewissenhaft eingereicht worden waren, folgte eine lange Liste an Nachforderungen für den Bauherren:
- Nachweis PKW-Stellplätze für Mieter („Dies ist gerade in der Stadt sehr schwierig, da der Platz einfach nicht da ist“, weiß Jörg Möser zu berichten.)
- Brandschutzkonzept
- Fluchtwege
- Bauteile nachweisen (im Rahmen des Brandschutzkonzeptes)
- eine Schallschutzprüfung musste durchgeführt werden (ob die verbauten Fenster die Vorgaben einhalten)
- Erschütterungsschutz – da das Gebäude an einer Straße mit Straßenbahn steht
- eine zusätzliche Be- und Entlüftung musste nachgerüstet werden, um heutigen Hygienestandards zu entsprechen („Dies war im Hinblick auf die zu schützende Fassade des Kulturdenkmals besonders schwierig“, ergänzt der erfahrene Architekt weiter.)
- Abweichungsantrag, da die Barrierefreiheit in einem solch alten Gebäude nicht eingehalten werden kann – der Gesetzgeber aber vorsieht, dass neuer Wohnraum grundsätzlich barrierearm zu gestalten ist
„Im Prinzip sollte ein Gebäude aus den 20er Jahren, die Standards von heute erfüllen. Der Bauherr hatte im Prinzip Glück, dass die Fenster die Schallschutzprüfung bestanden haben, sonst hätte er sämtliche Fenster im denkmalgeschützten Gebäude tauschen müssen. Nur um eine zusätzliche Wohneinheit zu schaffen. An einem solchen Beispiel erkennt man, warum einige Immobilienbesitzer eher einen Leerstand in Kauf nehmen. Oder vielmehr dazu gezwungen sind, weil sie ungeahnte Kosten teils schlicht nicht stemmen können. Und das, obwohl Wohnraum überall knapp ist, insbesondere in den Städten“, schließt Jörg Möser.
Die Kosten für den Bauherren lagen in diesem Fall der Nutzungsänderung Gewerbe in Wohnraum bei insgesamt etwa 25.000 €.
Dieses Beispiel zeigt auch, dass der Architekt einen solchen Rattenschwanz nicht im Vorfeld ahnen oder gar verhindern kann. Das Kooperieren und konstruktive Kommunizieren mit sämtlichen zuständigen Behörden, wird daher beim RJ Planungsbüro Kassel & Erfurt immer groß geschrieben. Das kann Türen öffnen.
3. Nutzungsänderung Tagespflege & Kindertagespflege
In einem weiteren Beispiel sollte ein früherer Supermarkt zu einer Tagespflege mit 20 Plätzen umgenutzt werden. Im Falle einer Nutzungsänderung hin zu Tagespflege oder Kindertagespflege, wird das gesamte Verfahren für ein solch öffentliches Gebäude deutlich komplexer, da eine höhere Zahl an Behörden involviert ist: vorbeugender Brandschutz, Feuerwehr, Heimaufsicht und natürlich die örtliche Baubehörde.
„Es handelt sich um ein Fachwerkgebäude, das langjährig als Supermarkt genutzt wurde und künftig einer Tagespflege Raum bieten sollte. In diesem Fall hatten wir Glück, dass im Rathaus noch alte Pläne vorhanden waren. Allerdings fing unsere Arbeit als Architekturbüro bereits in diesem ersten Schritt an – wir mussten die Pläne erst einmal digitalisieren, sodass danach alle auf dieser Grundlage arbeiten konnten“, erzählt Jörg Möser, Geschäftsführer des RJ Planungsbüros Kassel & Erfurt von diesem Beispiel eines Nutzungsänderungsantrags.
Der Nutzungsänderungsantrag musste neben den unter 1. beschriebenen Unterlagen noch eine umfassende Aufstellung der Brandschutzmaßnahmen beinhalten (Brandschutzkonzept). Beispielsweise mussten für die Nutzungsänderung sämtliche Türen in Brandschutztüren getauscht werden. Zudem musste in diesem Fall die Barrierefreiheit zwingend umgesetzt werden.
„Eine weitere Besonderheit war hierbei, dass zwei nebeneinanderliegende Flurstücke zunächst formell zusammengelegt werden mussten – obwohl beide Grundstücke dem Bauherrn gehören. Hintergrund war hier der Brandschutz, der einen Mindestabstand von jedem zu öffnenden Fenster bis zur Grundstücksgrenze vorsieht. Durch die sehr dichte Bebauung, insbesondere in Fachwerkstädten, war dies nicht einzuhalten. Durch das Zusammenlegen der Flurstücke zu einem Grundstück, verschob sich die Grundstücksgrenze sozusagen und der Brandschutz konnte eingehalten werden“, erklärt Jörg Möser, der auch Sachkundiger für vorbeugenden Brandschutz ist. „Dieser Schritt hat natürlich für einige Verzögerung des Bauvorhabens gesorgt.“
Auch dieses Beispiel zeigt, dass Dauer und Umfang eines Nutzungsänderungsantrags vom Architekten nicht im Detail eingeschätzt werden können. Selbst mit viel Erfahrung, halten alte Gebäude (und Behörden) immer wieder Überraschungen bereit und erfordern teils kreative oder formelle Lösungen.
Noch höhere Auflagen gibt es bei einer Nutzungsänderung Kindertagespflege, da die Kleinsten in öffentlichen Gebäuden besonders geschützt werden sollen. Klemmschutz an sämtlichen Türen, Abstände und Höhen von Geländern oder auch Absperrungen auf dem Gelände bei starkem Gefälle, sind hier nur drei Beispiele aus einer langen Liste. Mehr dazu im Blogartikel Kindergarten planen und bauen.
4. Nutzungsänderung Kosten Architekt
Aus den beschriebenen Beispielen wird deutlich, dass die Kosten stark variieren können oder auch im Verlauf des Verfahrens eines Nutzungsänderungsantrags steigen können.
Dennoch gibt es zumeist zwei Varianten:
- Ist die geplante Nutzungsänderung mit einem früheren Fall vergleichbar, hat der Architekt also entsprechende Erfahrung damit und kann seinen Aufwand gut einschätzen, kann ein pauschales Honorar vereinbart werden.
- In allen anderen Fällen wird eine Abrechnung auf Stundenbasis mit einem entsprechenden Zeitnachweis erfolgen. Dies ist für den Bauherren sicher die unbefriedigendere Variante, aber bei der Zahl der angeführten möglichen Variablen und nicht abzuschätzendem Mehraufwand, die passendere Herangehensweise.
5. Fazit Nutzungsänderungsantrag
Die Nutzungsänderung eines Gebäudes ist ein komplexer Prozess, der finanzielle Investitionen, Zeit und auch Geduld erfordert. Es ist von entscheidender Bedeutung, die örtlichen Vorschriften und Anforderungen genau zu verstehen, um unerwartete Kosten und Verzögerungen zu vermeiden – oder auch zu akzeptieren. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Architekten kann dazu beitragen, den Prozess reibungsloser und kosteneffizienter zu gestalten. Insbesondere wenn Sie sich für einen erfahrenen Architekten mit regelmäßigem Kontakt zu Baubehörden entscheiden.
Wir wünschen Ihnen für Ihren Nutzungsänderungsantrag viel Erfolg.
Bei Fragen helfen wir Ihnen gern.
Ihr