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Ambulante Gesundheitszentren statt stationäre Pflege – Der neue Fokus im Sozial- und Gesundheitsbau

Ambulante Gesundheitszentren - die medizinische Versorgung der Zukunft MVZ Gesundheitszentrum Weimar

Die Anforderungen an den Gesundheitsbau befinden sich im Wandel. Während klassische stationäre Pflegeeinrichtungen zunehmend an ihre Grenzen stoßen – personell wie strukturell –, gewinnen ambulante Gesundheitszentren stetig an Bedeutung. Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Tageskliniken und interdisziplinäre Versorgungsformen rücken in den Fokus von Kommunen, Trägern und Investoren. Sie bieten flexible, wohnortnahe Lösungen für eine alternde Gesellschaft – und stellen zugleich neue Anforderungen an Architektur und Planung.

Als erfahrenes Planungsbüro mit Schwerpunkt im Sozial- und Gesundheitsbau begleiten wir diesen Wandel aktiv. Mit maßgeschneiderten Konzepten, die Funktionalität, Aufenthaltsqualität und Wirtschaftlichkeit verbinden, setzen wir Impulse für eine moderne, zukunftsfähige Gesundheitsinfrastruktur. In diesem Artikel zeigen wir, welche Chancen ambulante Versorgungsformen bieten – und wie wir als Generalplaner architektonisch darauf antworten.

Die demografische Entwicklung in Deutschland verschärft den Druck auf das Gesundheitssystem: Im Dezember 2023 waren rund 5,7 Mio. Menschen pflegebedürftig – das entspricht einem Anstieg um ca. 15 % seit 2021 (destatis.de). Besonders im Alter steigt der Bedarf stark an: Über die Hälfte der 85‑ bis 90‑Jährigen ist betroffen, und unter den über 95‑Jährigen sind es sogar 94–98 %.Je nach Berechnungsmodell wird für Ende 2025 mit 5,17–5,24 Mio. bzw. maximal bis zu 5,48 Mio. pflegebedürftiger Menschen gerechnet. Und die geburtenstarken Jahrgänge – die Boomer – kommen erst noch!

Der Personalbedarf im Pflegebereich wird damit unaufhaltsam wachsen: Laut Destatis werden bis 2049 zwischen 280 000 und 690 000 zusätzliche Fachkräfte benötigt – das entspricht einem Anstieg um etwa 33 % vom Niveau 2019 (1,62 Mio.) auf rund 2,15 Mio. Davon entfallen schätzungsweise rund 40 % auf den ambulanten Sektor – also bis zu 380 000 Fachkräfte allein in der häuslichen/ambulanten Pflege.

Hinzu kommt kurzfristig: Bis 2030 könnte der Personalbedarf in Pflegeheimen und ambulanter Versorgung um 99 000 Vollzeitstellen steigen, bis 2040 sogar um über 190 000.

Diese Zahlen zeigen deutlich, warum ambulante Gesundheitszentren so wichtig sind:

  • Sie ermöglichen effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen, indem sie Pflege heim- und ortsnah organisieren.
  • Entlasten Krankenhäuser und stationäre Heime, die ohnehin durch hohe Auslastung und Personalmangel stark unter Druck stehen.
  • Erfüllen den Wunsch nach Lebensqualität im Alter: Statt in Heimen wünschen sich Menschen flexible und wohnortnahe Versorgungsmöglichkeiten.

Zusätzlich fördert die Politik mit gezielten Förderprogrammen und gesetzlichen Rahmenbedingungen die ambulante Versorgung: Kommunen und Investoren erhalten so neue finanzielle Anreize, Projekte in diesem Bereich umzusetzen – ein starker Treiber für Planungsbüros.

Ambulante Gesundheitszentren folgen anderen architektonischen Prinzipien als klassische Pflegeheime oder Krankenhäuser. Sie sind keine Orte des Verweilens über Tage hinweg – sondern Knotenpunkte: für medizinische Versorgung, für kurze Pflegekontakte, für Therapie, Beratung und Koordination. Diese Funktion verlangt flexible, effiziente und gleichzeitig einladende Raumkonzepte.

1. Modularität und Flexibilität

Ambulante Einrichtungen müssen auf Veränderungen reagieren können – personell wie strukturell. Neue Fachrichtungen, Kooperationen oder gesetzliche Vorgaben erfordern Anpassungsfähigkeit. Die Architektur muss das ermöglichen:

  • Modulare Grundrisse: Räume lassen sich durch variable Wände, multifunktionale Einheiten oder offene Zonen neu konfigurieren.
  • Flächen effizient nutzen: Doppelfunktionale Räume wie kombinierte Sprech- und Untersuchungszimmer oder mobile Nutzungskonzepte (z. B. rollbare Medizintechnik) sparen Fläche und Investitionskosten.

2. Nutzerzentrierung und Barrierefreiheit

Gerade ältere oder eingeschränkte Menschen sollen sich in einem MVZ oder Gesundheitszentrum sicher und willkommen fühlen. Das beginnt bei der Architektur:

  • Barrierefreie Erschließung (Rampe, Aufzug, ebenerdiger Zugang) ist Standard – aber auch innenarchitektonisch müssen Orientierung und Zugänglichkeit durchdacht sein.
  • Kurze Wege, klare Wegeführung und gute Tageslichtversorgung schaffen Sicherheit und Wohlbefinden.
  • Wartebereiche als Aufenthaltsqualität: Statt karger Sitzreihen entstehen kleine Zonen mit wohnlicher Atmosphäre, akustischer Dämpfung und Blickbeziehungen nach außen.

3. Technik-Integration und Zukunftsfähigkeit

Ambulante Zentren sind zunehmend digital vernetzt: Telemedizin, digitale Patientenakten, smarte Zugangssysteme – all das erfordert ein architektonisches Mitdenken der Infrastruktur und Gebäudetechnik.

  • Digitale Räume (z. B. für Videosprechstunden) benötigen akustisch geschützte, technisch ausgestattete Kabinen oder Räume.
  • Technikräume und Serverinfrastruktur sind ebenso wichtig wie Leitungsführung für spätere Erweiterungen.
  • Nachhaltigkeit wird mitgedacht: PV-Anlagen, begrünte Dächer oder Effizienzklassen nach GEG sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch förderfähig.

Die Architektur ambulant genutzter Gesundheitsgebäude muss viel leisten: Funktionalität, Wandelbarkeit, Aufenthaltsqualität und technische Zukunftstauglichkeit. Sie darf sich nicht an klassischen Krankenhausstandards orientieren – sondern braucht eigene, nutzerzentrierte Konzepte. Hier setzt das RJ Planungsbüro an: mit maßgeschneiderten Lösungen, die weit über den Standard hinausgehen.

Die Theorie zeigt den Bedarf – unsere Projekte zeigen die Lösungen. Als Planungsbüro mit Spezialisierung auf Sozial- und Gesundheitsbauten haben wir in den letzten Jahren gezielt ambulante Versorgungsstrukturen mitentwickelt. Im Folgenden stellen wir exemplarisch zwei Vorhaben vor, die diesen Wandel architektonisch mittragen.

MVZ Weimar – Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum neu gedacht

Mit dem geplanten medizinischen Versorgungszentrum in Weimar entsteht ein zentraler Anlaufpunkt für ambulante Behandlung im ländlichen Raum. Das Ziel: mehrere Fachrichtungen unter einem Dach zu bündeln und den Bürgerinnen und Bürgern kurze Wege zu bieten.

Besonderheiten des Projekts:

  • Flexible Raumstruktur: Untersuchungsräume, Sprechzimmer und Verwaltungsbereiche lassen sich je nach Bedarf neu aufteilen – z. B. für wechselnde Fachärzte oder Spezialsprechstunden.
  • Barrierefreie Gesamterschließung: Klare Wegeführung und großzügige Verkehrsflächen sorgen für Orientierung und Komfort – auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
  • Gestaltung mit Aufenthaltsqualität: Helle Wartezonen mit Außenbezug und Akustikdämmung schaffen ein angenehmes Umfeld – fern vom „Klinikgefühl“.
  • Nachhaltige Bauweise: Energiestandard KfW-40, PV-Anlage, Holzfassade mit regionalem Bezug.
MVZ Gesundheitszentrum Weimar
05.05.2020 Weimar: Medizinisches Versorgungszentrum MVZ Weimar West des Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar. Foto: Thomas Müller – mehr dazu in der Kurzbeschreibung

Neubau MVZ Arnstadt – Ein neues Gesicht für ambulante Versorgung

Am Standort des ehemaligen Kinderheims auf dem Gelände des Marienstifts Arnstadt entstand ein modernes medizinisches Versorgungszentrum, das viel mehr ist als ein Ärztehaus – es ist ein starker Beitrag zur ambulanten Gesundheitsversorgung vor Ort.

Projektdaten im Überblick

  • Standort: Wachsenburgallee 12, Arnstadt (Innenstadt)
  • Nutzfläche: ca. 1.650 m² NUF auf drei Geschossen unter Vollunterkellerung
  • Baukosten: rund 3,2 Mio € netto, Fertigstellung im September 2019
  • Besonderheit: Teilnahme am Tag der Architektur 2020 – als herausragendes Beispiel gelungener Gesundheitsbau-Architektur

🧩 Architektonische Highlights

Multidisziplinäre Nutzung: Das MVZ beherbergt neben Allgemeinmedizin und Fachärzten auch Therapiezentren – ein zentraler Dreh- und Angelpunkt im ambulanten Netzwerk von Arnstadt und Ilmenau.

Stadtbildintegration: Der Dreigeschosser bindet bestehende Architektur auf dem Marienstifts-Gelände ein und interpretiert klassische Eckstrukturen mit einem modernen, ruhigen Fassadensystem (WDV + Fassadentafeln).

Laternengeschoss & Glockenturm: Technikeinhausung und ein kastanienholzverkleideter Glockenturm mit historischer Glocke verbinden Funktionalität mit identitätsstiftender Symbolik und Tagesarchitektur.

Freundlicher Eingangsbereich: Der Haupteingang zur Hofseite wurde bewusst positioniert – mit großzügigen Glasflächen, Akzentmaterialien und Orientierung für Besucher und Patient:innen.

Das MVZ Arnstadt zeigt eindrucksvoll, wie Architektur für ambulante Gesundheitsversorgung den Spagat schafft zwischen funktionaler Nutzung, lokalem Bezug und einer hohen Aufenthaltsqualität. Mit seiner klaren Formensprache, behutsamen Einbindung in das Ortsbild und durchdachten Innenräumen steht es beispielhaft für das, was im ambulanten Gesundheitsbau möglich ist.

Architektur im Gesundheitswesen ist mehr als reine Flächenplanung – sie ist Kommunikation. Gerade im Bereich ambulanter Versorgung treffen verschiedene Anspruchsgruppen aufeinander: Mediziner, Pflegedienste, Träger, Investoren und nicht zuletzt die Nutzerinnen und Nutzer selbst. Um diese Vielstimmigkeit frühzeitig in Einklang zu bringen, setzen wir im Planungsprozess gezielt auf digitale Werkzeuge.

Virtuelle Begehungen schon vor Baubeginn

Mit Hilfe von 3D‑Modellen und digitalen Raumvisualisierungen machen wir Architektur in der Frühphase greifbar. Projektbeteiligte können sich so realitätsnah durch das Gebäude bewegen – auch ohne technische Vorkenntnisse. Räume werden erlebbar, Wegeführungen nachvollziehbar, Arbeitsprozesse simuliert.

Vorteile:

  • Frühzeitige Verständigung zwischen Nutzern, Bauherren und Planern.
  • Fehlervermeidung durch bessere Vorstellung von Raumgrößen, Sichtachsen und Abläufen.
  • Effizientere Abstimmungen, da Entscheidungen nicht mehr auf abstrakten Plänen beruhen.

Nutzerzentrierte Optimierung

Gerade in MVZs oder Tagespflegeeinrichtungen geht es um mehr als reine Funktionalität. Der tägliche Ablauf muss flüssig, intuitiv und sicher ablaufen – für Personal wie für Patient:innen. In enger Abstimmung mit den künftigen Nutzergruppen analysieren wir Abläufe, Arbeitswege und Anforderungsketten. Auf dieser Basis passen wir Raumfolgen, Türsituationen, Möblierung und Leitsysteme iterativ an – oft mehrfach vor Baubeginn.

Die ambulante Gesundheitsversorgung steht für eine neue Versorgungslogik: wohnortnah, flexibel, effizient – und menschlich. Sie reagiert auf den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel und die veränderten Erwartungen an medizinische Infrastruktur. Doch dieser Wandel braucht Räume, die ihn tragen.

Architektur wird dabei zur strategischen Schlüsselressource: Sie strukturiert Abläufe, schafft Identität und ermöglicht Qualität im Alltag. Ob MVZ, Tagespflegeeinrichtung oder integriertes Gesundheitszentrum – jedes Projekt verlangt nach einer individuellen, nutzerzentrierten Lösung.

Als RJ Planungsbüro verstehen wir ambulanten Gesundheitsbau nicht als abgespeckte Variante stationärer Versorgung, sondern als eigenständige Disziplin. Mit integraler Planung und Erfahrung aus zahlreichen realisierten Projekten entwickeln wir zukunftsfähige Konzepte – funktional, wirtschaftlich und gestalterisch überzeugend.

Unser Ausblick:

  • Wir erwarten eine deutliche Zunahme kommunaler und genossenschaftlicher Gesundheitszentren, gerade im ländlichen Raum.
  • Die Verknüpfung von Pflege, Therapie, Prävention und sozialer Teilhabe wird zur architektonischen Hauptaufgabe.
  • Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden noch stärker integraler Bestandteil der Planung.

Wir stehen bereit, diesen Wandel mitzugestalten – gemeinsam mit Trägern, Kommunen, Bauherren und Nutzern. Für eine Gesundheitsarchitektur, die der Realität von morgen gewachsen ist.

Das RJ Planungsbüro ist ein erfahrenes Architekturbüro für Sozialbauten und Gesundheitsbauten.